Diesen Fragen und noch vielen anderen bin ich nachgegangen und durfte Thilo Beck, einen 52-jährigen Müllabfuhrfahrer, auf seiner Tour in Bad Endbach begleiten. Mein erster Eindruck als ich vor dem Fahrzeug stand: Mensch, ist das groß! Die Dimensionen wurden mir während der Fahrt noch einige Male bewusst, aber dazu später mehr.
Thilo Beck ist ein freundlicher und aufgeschlossener Fahrer, der seinen Job bereits seit 30 Jahren ausübt. Als ich gegen acht Uhr einsteige, hat er bereits etwa 250 Abfalleimer gefahren: „Heute werden wir noch etwa 600 Müllgefäße leeren“, berichtet er etwas stolz, während der Greifarm seines Fahrzeuges eine Abfalltonne in seine Gewalt bringt und in das Innere des Wagens entleert. Seit 17 Jahren fährt Beck bereits die Seitenlader, bei denen der Fahrer die volle Kontrolle über die Leerung der Tonnen hat. Während der Arm die Abfalltonne anhebt, fühle ich mich wie auf einem wankenden Schiff: „Das ist das Gewicht der Tonne und die Hebelwirkung. Dadurch neigt sich der Wagen etwas zur Seite und federt wieder zurück“, beschreibt Beck das Gefühl. Übel wird mir nicht, aber an die Schaukelei gewöhnen, muss ich mich schon. Der Greifarm begeistert mich besonders. Beck kann ihn erst ausfahren, wenn das Fahrzeug unter sechs km/h fährt. Der hydraulische Arm wird über den Bremsdruck geschaltet. Mit einem Joystick lenkt der Fahrer den Arm um die Abfalltonne. „Es ist sehr wichtig, dass die Tonne mit der richtigen Seite vorn steht“, kommentiert Beck, während die Tonne hoch in der Luft steht und sich dann in den Wagen senkt. Die Tonne ist kaum abgestellt, da setzt der Wagen schon wieder seine Fahrt fort. „Am Anfang war es schwierig mit dem Timing“, sagt Beck und fügt an „jetzt muss ich manchmal noch nicht mal hinschauen“. Mit großer Treffsicherheit und mit viel Fingerspitzengefühl zirkelt er den Wagen durch enge Gassen. Kinder schauen dem Gefährt, das durch ihre Straßen fährt, staunend nach. Für den Fahrer liegt vor allem in der Dunkelheit der Wintermonate die Konzentration auf spielenden Kindern, erläutert Beck. Das große Gefährt besitzt offensichtlich eine magische Anziehungskraft für Kinderaugen.
„Ich fahre sogar meine eigenen Tonnen bei mir zu Hause ab, wenn meine Route dran ist“, berichtet Beck. Er ist ein echtes Hinterlandurgestein, im Hinterland geboren, lebt und arbeitet hier. „Ich finde es hier einfach am Schönsten“, versichert er mir und beim Blick in die Natur muss ich ihm Recht geben. Er kenne fast jede Tonne und das dazugehörige Haus.
Auf dem Armaturenbrett ist ein Monitor verbaut. Diesen nutzt er meist, um in den Schüttraum zu schauen. Heute fährt er, wie oftmals, Bioabfälle. Die Kamera zeigt ihm den Inhalt der jeweiligen Biotonne. Überraschen, könne ihn der Inhalt kaum noch. Jedoch irritierten ihn mal Autoreifen inklusive Felgen in der Biotonne. Dann gibt Beck an den MZV die Notiz Fehlbefüllung und sucht oft auch den direkten Kontakt zu den Hausbewohnern. So kann es schon vorkommen, dass er sich durch die Nachbarschaft klingelt und das, obwohl er einen straffen Zeitplan hat.
Ich bin überrascht, wie wenig Biomüll riecht. Nur beim Rückwärtsfahren dringt der Geruch ins Führerhaus. Selbst durch enge Gässchen schiebt sich der große LKW und das teilweise sogar im Rückwärtsgang. Oft sind es nur Zentimeter und dabei redet Beck mit mir entspannt, als würde er zuhause auf seinem Sofa sitzen. Auf meine Frage, ob er denn schon Zäune niedergerissen habe, bekomme ich glaubhaft versichert: „Ganz, ganz selten“. Beck führt über all seine Fahrten Buch. Diese Aufzeichnung nutzt er zur persönlichen Gedankenstütze, falls es mal Nachfragen geben sollte.
Auf meine Frage, was denn das Schönste an seinem Beruf sei, antwortet er ohne Nachzudenken: „Ich bin mein eigener Herr. Ich kann die Tonnen fahren, wann ich will. Wenn ich mal eine halbe Stunde später bin, den Tonnen ist das egal. Außerdem ist es immer abwechslungsreich. Keine Tour ist wie die andere“.
Ein sehr interessanter und unterhaltsamer Vormittag neigt sich dem Ende zu. Ich habe viel gesehen und gelernt und weiß nun, dass ich meine Biotonne nicht überfüllen und nicht zu sehr verdichten darf. Auf meine abschließende Frage, was ihn denn an seinem Job stört, muss er lange überlegen. Erst nach etwa 20 Sekunden äußerst er den Wunsch, dass auch die letzten drei Prozent der Bürger die Tonne richtig an die Straße stellen, damit er sie mit seinem Greifarm gut packen und leeren kann.
Eine tolle Erfahrung mit einem sehr freundlichen Müllwerker.
Thomas Rösser| Öffentlichkeitsarbeit beim MZV